Daniel Ellsberg

Am Morgen des 16. Juni 2023 ist Daniel Ellsberg seiner Krebserkrankung erlegen. Er hat die Diagnose erst im Februar erhalten und auch bald darauf öffentlich gemacht. Eine Chemotherapie hatte der damals 91-Jährige abgelehnt und sich stattdessen dazu entschlossen, die ihm verbliebenen Monate zu genießen.

Ich hätte es an seiner Stelle genauso gemacht, und habe nun auch mit einem wunderbaren Seelenfrieden vernommen, dass er einen friedlichen Tod im Kreise seiner Familie gestorben ist. Zuvor hatte er im April noch seinen 92. Geburtstag gefeiert.

Daniel Ellsberg ist mir sehr wichtig, deshalb dieser Nachruf. Als „Urvater der Whistleblower“ wird er bisweilen bezeichnet, auch von mir in meinem großen Artikel über ihn auf der Plattform geschichte-lernen.net.

Vor über 50 Jahren war Dan Ellsberg, damals Mitarbeiter beim amerikanischen Verteidigungsministerium, seinem Gewissen gefolgt und hatte geheime Dokumente über den Vietnam Krieg an die Presse weitergegeben. Die Dokumente bezeugten die Unsinnigkeit und Aussichtslosigkeit eines Krieges, den die amerikanischen Präsidenten immer weiter in die Länge zogen. Das Kriegsende am 30. April 1975 war dann eine Folge, wenn auch eine indirekte, von Dan Ellsbergs Veröffentlichungen.

Seitdem war Daniel Ellsberg, dem eine lebenslange Haftstrafe gedroht hätte, der sein Leben aber dennoch in Freiheit verbringen durfte – meiner Meinung nach weil die Justiz in den USA damals noch besser funktioniert hat als heute – der Friedensbewegung verpflichtet. Sogar in den letzten Monaten, als er schon wusste, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht, ist er nicht müde geworden, zu Frieden aufzurufen und vor einem Atomkrieg zu warnen. In seinem 2017 erschienenen Buch „The Doomsday Machine: Confessions of a Nuclear War Planner“ warnt er davor, wie schnell es zu einer nuklearen Katastrophe kommen kann.

Daniel Ellsberg ist mit 92 Jahren sehr alt geworden, und er hat ein schönes Leben gehabt. Das gönne ich ihm von Herzen. Selbst sein Tod war schön. Seine Familie schreibt, er hätte gesagt: „Wenn ich gewusst hätte, dass das Sterben so ist, wäre ich früher gestorben.“ In einer Welt, wo so viele Menschen so viel früher sterben und dann auch noch zutiefst grausam, kann ein Leben kaum ein besseres „Happy End“ haben. Ich freue mich sehr für Daniel Ellsberg, dass sein langes Leben so friedlich zu Ende gegangen ist.

Ich trauere aber, weil die Friedensbewegung einen so wichtigen Menschen verloren hat, mit so viel Erfahrung, Wissen und Engagement. Wir brauchen mehr Menschen, nicht weniger, die sich dem Frieden verpflichten und Krieg ablehnen.

Im März 2023 hat Dan Ellsberg der New York Times noch ein Interview gegeben. Dort sagte er: „Ich verlasse eine Welt, die sich in einem schrecklichen Zustand befindet und die überall dort schrecklich ist, wo ich versucht habe, sie besser zu machen (…) Das ist nicht die Welt, wie ich sie mir für 2023 vorgestellt habe. Aber so ist sie.“ (zitiert nach NZZ)

Ich selbst hab meinen großen Artikel über Dan Ellsberg, den ich 2021 veröffentlicht habe, so beendet:

Er selbst wird wohl nicht mehr in den Genuss kommen, in einer Welt zu leben, in der Regierungen unaufrichtige und menschenrechtswidrige Taten nicht zu verheimlichen versuchen, sondern gar nicht erst begehen. Aber vielleicht haben zukünftige Generationen die Chance auf eine Welt ohne Atomwaffen und Kriegsverbrechen.

Ja, vielleicht. Hoffentlich. Ruhe in Frieden, Daniel Ellsberg. Und wer Zeit hat und ein kleines Bisschen Lust auf schwere Themen, ist herzlich dazu eingeladen, diesen Artikel von mir über Dan Ellsberg auf geschichte-lernen.net zu lesen. Er trägt den Titel „Daniel Ellsberg und die Pentagon Papers: Der Urvater der Whistleblower“, ist mit viel Liebe und Mühe geschrieben und erzählt das Wichtigste, was man über das öffentliche Wirken dieses mutigen Mannes wissen muss. Seit ich an diesem Artikel gearbeitet und so viel über ihn erfahren habe, hat er einen festen Platz in meinem Herzen. Vielleicht findet er – und mit ihm der Pazifismus – einen Platz in noch ein paar weiteren Herzen.

Das Beitragsbild ist von Christopher Michel, aufgenommen im Jahr 2020. Der Fotograf hat die Fotos freundlicherweise der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt, unter folgender Lizenz: CC BY 2.0. Hier ist die allgemeine Flickr-Seite von Christopher Michel: Christopher Michel auf Flickr.

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