Am 28. September erschien das Buch „Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer, eine Medienkritik mit dem Untertitel „Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist.“
Ab dem Moment, an dem durchsickerte, dass der beliebte Fernsehstar Precht in seinem kommenden Buch die Medien kritisiert, ging es schon los mit vor Wut schäumenden Verrissen des noch nicht einmal veröffentlichten Buches und Häme gegenüber den Autoren, vor allem aber Precht, da er der berühmtere von beiden ist.
Aber als das Buch dann draußen war, und zu allem Überfluss auch noch auf der Spiegel-Bestseller-Liste direkt auf Platz 1 landete, war es endgültig vorbei: Richard David Precht war unten durch. Keiner in den Mainstream Medien konnte ihn mehr leiden.
Die Medien verdienen es, kritisiert zu werden
Ich mag Medienkritik, denn unsere deutschen Leitmedien haben es verdient, möglichst oft und scharf kritisiert zu werden. Sie versagen seit Jahren, ganz besonders aber seit dem Corona-Thema, und lassen mich als jemanden, dem die Idee einer freien Presse als Vierte Gewalt in einer funktionierenden Demokratie extrem sympathisch ist, verzweifeln.
Professor Michael Meyen von Institut für Kommunikationswissenschaften (IfKW) an der LMU München hat im Jahr 2021 schon die Medienkritik „Die Propagandamatrix“ geschrieben, die ich wärmstens empfehlen kann, ebenso wie den Sammelband „Macht“, herausgegeben von Klaus-Jürgen Bruder und Almuth Bruder-Bezzel. Er trägt einen Untertitel, der dem Untertitel von Prechts und Welzers Buch sehr ähnelt: „Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird“. Wobei letzterer Sammelband sogar über Medienkritik hinausgeht und Aufsätze beinhaltet, die die gesamte Gesellschaft kritisieren.
Richard David Precht: Der Mann zwischen den Fronten
Ich mag auch Richard David Precht. Der berühmte Philosoph hat es nicht leicht, denn er steht irgendwie zwischen den Fronten. In der Opposition zu den Leitmedien, sozusagen bei den Alternativen Medien, sehen ihn viele als Opportunisten, weil er bei den öffentlich-rechtlichen Medien aktiv ist, und nehmen ihn deshalb als Kritiker gesellschaftlicher oder politischer Missstände nicht ernst. Diese Stimmung nehme ich sowohl bei oppositionellen Journalisten wahr (zum Beispiel bei den NachDenkSeiten, wobei seine Sendung „Precht“ und sein Podcast mit Markus Lanz gerade in letzter Zeit auch mal in positiver Weise aufgegriffen werden), als auch im privaten Umfeld bei Menschen, die das Vertrauen in Politik und Leitmedien komplett verloren haben.
Journalisten aber, die wie Precht selbst bei den Leitmedien tätig sind, kritisieren und – mehr noch – diffamieren ihn gerne mal, weil er der öffentlichen Meinung widerspricht. Sie schieben ihn in Richtung „Spinner“, wo sie ihre Kollegen von den Alternativen Medien sowieso verorten.
Ein Beispiel: Die Kritiker der Coronamaßnahmen fanden Precht blöd, weil er die Maßnahmen der Regierung befürwortet hat. Später allerdings traf ihn der Zorn der leitmedialen Impfbefürworter, weil er sich kritisch gegenüber der Impfung von Kindern geäußert hatte. Siehe auch dieser Spiegelartikel: Er ist zwar hinter einer Paywall, doch alleine die Einleitung zeigt schon den beleidigenden Ton des Textes.
Der „Pop-Philosoph“
Die ewigen Vorwürfe, Precht sei ein „Pop-Philosoph“, konnte ich noch nie nachvollziehen. Damit ist ja, wie ich es verstehe, gemeint, dass Precht die hohe Kunst der Philosophie auf ein Niveau senkt, das auch fachfremde, womöglich sogar nicht ganz so gebildete Menschen verstehen. Doch was daran falsch sein soll, verstehe ich nicht.
Welchen Wert hat die Philosophie für unsere Gesellschaft, wenn sie einigen wenigen Philosophen vorbehalten ist, die große Mehrheit der Menschen aber nie in Kontakt mit philosophischen Fragen und Ansätzen kommt? Ein Philosoph leistet meiner Meinung nach nur dann einen sinnvollen Beitrag zur Gemeinschaft, wenn er im Austausch mit ebendieser Gemeinschaft steht und sich mit ihr auf eine Stufe stellt, nicht über sie.
Gerade das mag ich an Richard David Precht – dass man seine Bücher gut lesen kann, ohne Philosophie studiert zu haben. Dass er im Fernsehen auftritt und den Menschen wichtige Themen näherbringt und Missstände aufzeigt, über die sie womöglich noch nicht nachgedacht haben. Seine Themen sagen mir zu, sei es unser Umgang mit Tieren, das kaputte Schulsystem oder die Abkehr von der Arbeitsgesellschaft. Bis jetzt ging es bei den Themen, die ich von Precht mitbekommen habe, immer darum, die Gesellschaft besser, humaner und gerechter für alle zu machen. Ist das nicht ein erstrebenswertes Ziel?
Artikel in zwei Teilen
Und deshalb – weil ich gerne Medienkritiken lesen und weil ich die Bücher von Precht mag – habe ich mir „Die Vierte Gewalt“ natürlich auch gleich geholt. Und gerne möchte ich das Buch in einem zweiten Teil vorstellen, aber in Teil 1 möchte ich den Shitstorm gegen Precht thematisieren, indem ich mich etwas intensiver mit jenen Reaktionen beschäftige, die ich besonders unangebracht und peinlich fand. Es ist interessant, dass sie alle Precht als Menschen angreifen – nicht aber sein Buch inhaltlich kritisieren.
Harald Welzer übrigens, der das Buch gemeinsam mit Precht geschrieben hat, bleibt bei dem Shitstorm zwar nicht verschont, aber er kriegt auf jeden Fall viel weniger Scheiße ab. Vermutlich deshalb, weil er nicht ganz so berühmt ist.
„Wer leckt von deinem Gebäck Sahne weg? Richard David Precht“: Carolin Kebekus’ peinliche Reime
Was dieses affige Zitat in der Überschrift denn bedeuten soll? Es ist ein Auszug aus Carolin Kebekus’ Schmähsong „Richard David Precht“. Für mich ist der Song die peinlichste aller Reaktionen auf das Buch „Die Vierte Gewalt“ und es lohnt sich, sich diesen Song näher anzuschauen, um sich bewusst zu machen, welch ein tiefes Niveau unsere Öffentlichkeit erreicht hat. Es mag wehtun, aber ohne schmerzliche Erkenntnis kann es schließlich auch keine Verbesserung geben.
Die YouTube-Beschreibung
Schon die YouTube-Beschreibung zu dem Song ist eine einzige Beleidigung: „Sein natürlicher Lebensraum ist das Talkshow-Studio. Sein Markenzeichen: Meinungsstarke Thesen ohne die geringste Expertise zum Thema. Wenn Volks-Philosoph Richard David Precht loslegt, ergreifen Fakten schnell die Flucht. Wer bist du – und wenn ja, wie viel Gegenwind verträgst du?“
Erstmal also stellen wir Precht auf eine Stufe mit Tieren, denn sowas wie „natürlicher Lebensraum“, das kennt man nur aus Tierdokus. Über Menschen spricht so keiner. Und ich als Tierschützerin hätte nicht einmal ein Problem damit, wenn wir uns Menschen auf eine Stufe mit Tieren stellen würden, aber gesellschaftlich sind wir davon ja ganz weit weg. In unserem allgemeinen Verständnis stehen wir weit über Tieren. Einen Menschen zu beschreiben und dabei Vokabular zu verwenden, das man aus Tierdokus kennt, ist also definitiv herablassend.
„Meinungsstarke Thesen ohne die geringste Expertise zum Thema“ ist eine beleidigende Behauptung ohne jeglichen Beweis. Woher kennen denn die Produzenten der Carolin Kebekus Show Prechts Expertise? Aber wenn Carolin Kebekus einfach irgendwas behaupten kann, mach ich das das jetzt auch (die Beleidigung lasse ich anstandshalber aber natürlich weg): Ich behaupte, Frau Kebekus hat noch nie ein Buch von Richard David Precht gelesen. Und kann deshalb schlecht ernstzunehmende Aussagen über seine Expertise machen.
„Der Volks-Philosoph“ soll Precht wohl als minderwertig gegenüber Nichtvolks-Philosophen darstellen, und warum ich überhaupt nichts davon halte, die Philosophie und „das Volk“ voneinander zu trennen, hab ich ja weiter oben schon erwähnt.
„Ergreifen Fakten schnell die Flucht“ soll lustig klingen, ist aber auch nur eine weitere beleidigende und rufschädigende Unterstellung, gerade in unserer Zeit, wo immer mehr Medien ihre eigenen „Faktenchecker“ haben und darüber gestritten wird, wer denn jetzt „die Fakten“ parat hat und wer nur „schwurbelt“.
Der Song
Naja, aber nun zu dem Song, es handelt sich dabei um ein Rap-Stück, wahrscheinlich weil es im HipHop tatsächlich nicht unüblich ist, Menschen in Songs zu „dissen“. Häufig disst ein Rapper dabei seinen Konkurrenten. Soweit ich mich erinnern kann, es ist lange her, dass ich ihn gesehen habe, kann man „Rap-Battles“ zum Beispiel in Eminems Film „8 Mile“ sehen. Da treten dann Rapper gegeneinander an und müssen einander dissen.
Der Song von Carolin Kebekus besteht zum einen aus Beleidigungen und teils verletzenden, teils rufschädigenden Behauptungen:
- Wer ist auch privat nicht nett – Richard David Precht (die höchst persönliche Behauptung, jemand sei privat ein unsympathischer Mensch, prasselte einst auch auf Julian Assange herab und wurde von manch einem Journalisten verwendet, um seine Verdienste für die Weltöffentlichkeit schlechtzureden und den unrechtmäßigen und menschlich höchst bedenklichen Umgang mit ihm zu rechtfertigen. Dabei sollte erstens der persönliche Charakter für das öffentliche Wirken eines Menschen unwichtig sein, und zweitens kennen ohnehin nur die direkten Angehörigen und Freunde den wahren Charakter eines Menschen.)
- Viele Philosophen ham dich ausgelacht, Du hast dir dein Image doch nur ausgedacht, Du hast keine Expertise, auch nicht zur Ukraine) („Viele Philosophen haben dich ausgelacht“ ist meiner Meinung nach rufschädigend. Der Hörer soll denken, dass Precht von seinen Kollegen nicht ernst genommen wird. Ist das so? Keine Ahnung. Jemanden auszulachen ist auf jeden Fall keine sinnvolle Taktik. Ich plädiere dafür, stattdessen mit Argumenten zu arbeiten, wenn man mit jemandes Ansichten nicht einverstanden ist. Übrigens ist Precht gegen Waffenlieferungen, schwimmt also hinsichtlich dem Thema Ukraine gegen den Strom der Mainstream-Meinung. Aber welche Art von Expertise braucht man eigentlich, um Waffenlieferungen abzulehnen?)
- Geb n Fick auf deine Story, denn nichts an dir ist echt (sehr verletzend, einen Menschen als gänzlich unecht zu bezeichnen.)
- Wer hat nicht artgerecht ein Adlernest in seinem Haar versteckt? (auch Prechts Frisur ist es anscheinend wert, beleidigt zu werden)
Zum anderen besteht der Song aus absurden Schuldzuweisungen, von denen natürlich klar ist, dass sie nicht stimmen, und die deshalb unter Umständen lustig sein könnten. Aber angesichts der dreisten Gemeinheit des Songs empfinde ich sie nicht als lustig, sondern als peinlich.
- Wer hat das Affenhaus in Brand gesetzt? Und die Fledermaus mit Corona angesteckt? – Richard David Precht
- Wer liegt unter deinem Bett der dich nachts nicht schlafen lässt – Richard David Precht
- Wer nahm Voldemort die Nase weg, ey? Unser Lehrer Doktor Precht
- Wer leckt von deim Gebäck Sahne weg? – Richard David Precht
- und so weiter…
Vielleicht haben sich Carolin Kebekus und ihre Songwriter da ein bisschen von dem Song „Auweia Shania“ von dem Comedy-Trio Eure Mütter inspirieren lassen. Da ist die amerikanische Country-Sängerin Shania Twain an allem Übel der Welt schuld. Ich liebe den Song, weil er so witzig ist. Und in unserer Familie ist es schon ein Insider geworden, Shania Twain die Schuld an allem zu geben (wir vermuten zum Beispiel, dass Shania Nordstream II gesprengt hat :-)).
Doch hier wird Shania Twain eben nicht ernsthaft angegriffen oder gar persönlich beleidigt, sondern es geht letztendlich darum, dass Menschen gerne einen Sündenbock suchen. Und die drei Künstler von Eure Mütter erklären auch, wie sie dazu gekommen sind, die Schuld ausgerechnet Shania zu geben. Würde Shania den Song hören, insbesondere mit der vollständigen Erklärung dazu, würde sie sicherlich drüber lachen, wenn sie auch nur einen Funken Humor besitzt.
Natürlich ist Kebekus’ Song keine direkte Reaktion auf das Buch „Die Vierte Gewalt“, schließlich setzt sich hier niemand mit dem Inhalt des Buchs auseinander. Aber er erschien eben am 14.10.2022, kurz nach dem Buch und seinem sofortigen Verkaufserfolg, als gerade eine riesige Welle der Diffamierung über Precht hereinbrach. Und deshalb sehe ich ihn eben doch als Reaktion auf das Buch. Die beleidigten Leitmedien, die Precht und Welzer in ihrem Buch (eigentlich noch viel zu wohlwollend) kritisieren, haben den Kebekus-Song natürlich gleich freudig zitiert.
Übrigens hat auch Harald Welzer Carolin Kebekus’ Song thematisiert, als er in der Sendung Jung und Naiv von Tilo Jung interviewt worden ist. Er sagte, er selbst sei nur wenig für das Buch „Die Vierte Gewalt“ angegriffen worden (so wie ich das auch wahrgenommen habe), anders als sein Mitautor: „Ich finde den Umgang mit meinem Mitautor Richard David Precht teilweise total skandalös. Er ist diffamierend und abwertend. Es gab auch einen Song von Carolin Kebekus. Er hat eine solche Verachtung zum Ausdruck gebracht. (…) Man kann an vielen Stellen anderer Auffassung sein als er, aber was sind wir für eine Gesellschaft (…) dass jemand in solcher Weise vorgeführt und diskreditiert werden muss?“
Und diese Auffassung kann ich nur zu 100 % teilen.
Sarah Bosetti macht einen Beitrag über die „Die Vierte Gewalt“ – aber hat keine Lust, über den Inhalt zu sprechen
Kurz vorher, am 05.10.2022, hat sich auch die Satirikerin Sarah Bosetti in ihrer ZDF Satire-Sendung „Bosetti will reden“ über Precht und auch über Harald Welzer geäußert. Der Beitrag heißt „Precht, Welzer und die Meinungsmache der Medien“, man könnte also erwarten, Frau Bosetti setzt sich kritisch mit den Argumenten der Autoren im Buch auseinander.
Aber sie tut es nicht. Sie macht das Buch nur schlecht, ohne ihre Behauptung irgendwie fundiert zu begründen (Das Buch sei schlecht recherchiert), beleidigt die Autoren (Sie seien arrogant, eitel und „stupid people“, also dumm) und unterstellt Ihnen niedere Absichten (Sie seien an dem Thema Medienkritik gar nicht interessiert, sondern wollten nur viel Geld verdienen).
Über den Inhalt verliert Bosetti kaum ein Wort, außer dass sie ein paar aus dem Kontext gerissene Schlagworte nennt, die sie dann als „Skandalbegriffe“ bezeichnet (sowas wie „Diffamierung Andersdenkender“) und den Autoren – das ist natürlich der Klassiker – vorwirft, sich in ihrer Argumentation kaum von Verschwörungstheoretikern zu unterscheiden. Bosettis Aussage ist im Prinzip, dass Verschwörungstheoretiker behaupten, die Leitmedien würden einseitig berichten und ihre Vorgaben vom Staat oder von irgendeiner dunklen Macht erhalten, die man nicht kennt. Precht und Welzer behaupten ebenfalls, die Leitmedien würden einseitig berichten, und das einzige, was sie noch von den Verschwörungstheoretikern unterscheidet sei, dass in ihrer Kritik nicht der Staat oder dunkle Mächte dahinterstehen, sondern die Medien eben freiwillig und aus eigenem Antrieb heraus einseitig sind.
Naja, was soll man sagen. Es stimmt, das behaupten Precht und Welzer. Ist die Behauptung denn falsch? Für Frau Bosetti gibt es keinen Grund, die Behauptung selbst zu kommentieren, es reicht, einen Satz zu formulieren, in dem die Autoren in einem Atemzug mit Verschwörungstheoretikern genannt werden.
Etwa nach fünf Minuten sagt Bosetti, sie könne jetzt über die grundsätzlichen Dinge sprechen, die Welzer und Precht in ihrem Buch falsch gemacht hätten. Ja, das hätte ich gerne gehört. Was hat Frau Bosetti gegen das Buch? Was ist schlecht recherchiert, welche Behauptungen sind falsch und warum? Aber Frau Bosetti sagt, sie hat keine Lust, diese Dinge zu besprechen. Wortwörtlich! Keine Lust! Ist das wirklich ihr Ernst? Es ist mir unbegreiflich, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen so substanzlosen Inhalt ausstrahlen kann.
Die Kritiker der Macht niedermachen: Marie von den Benken pervertiert das Prinzip der Satire
Auch sehr peinlich war der „Satirische Wochenrückblick“ von einer gewissen Marie von den Benken von gmx, erschienen am 17.10.2022. Satire darf alles, sagt man. Satire darf auch weh tun. Aber das, was von den Benken hier produziert hat, ist für mich keine Satire, sondern schlicht und ergreifend die Beleidigung und Verleumdung eines Mitbürgers, nämlich Precht. Und mit ihm greift die Autorin auch seine Leser an, also sozusagen viele weitere Mitbürger, wenn auch nicht als Individuum, so doch als Kollektiv.
Kann oder darf sich Satire echt gegen Mitbürger wenden, oder ist das dann viel eher öffentliches Mobbing? Ich dachte früher immer, Satiriker seien eher ein Sprachrohr der Bürger, um politische und gesellschaftliche Missstände und das Verhalten von Politikern zu kritisieren. Wikipedia schreibt: „Üblicherweise ist Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht) vorzugsweise in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur.“
Hier eines meiner Lieblingsbeispiele für gelungene Satire: Hagen Rether – Nordkoreaner
Die gmx-Autorin bezeichnet Precht als „Hobby-Philosoph“ und als „Ex-Fast-Philosoph“, obwohl er Philosophie studiert hat und auch als Honorarprofessor an zwei Universitäten Philosophie lehrt, und als einen „öffentlichkeits-besessenen Show-Tourist“. Sie bringt ein peinliches „Guilt by assoication“, indem sie Precht allein textlich in Verbindung bringt mit Menschen, die in unseren Leitmedien wiederholt diffamiert werden (Sahra Wagenknecht, Wolfgang Kubicki, Ulrike Guérot, Tucker Carlson, Nena).
Menschen, die Prechts Einstellung zum Ukraine-Konflikt teilen (also für eine schnelle Verhandlungslösung sind), seien „rechtsauslegende Voll-Patrioten“, die Menschen, die seine Bücher lesen, seien „Niederschwellig informiertes Buchkauf-Kanonenfutter“.
Letztendlich plädiert die Autorin noch dafür, Meinungen, die sie nicht teilt, völlig aus dem Diskurs auszuschließen, indem sie dem Sender Servus TV den Vorwurf macht, „absurde Personen mit noch absurderen politischen Positionen“ in Talk-Shows einzuladen. Precht hatte zuvor den Sender dafür gelobt, dass er ausgewogene Diskussionen zulasse.
Über das Buch schreibt die Autorin kaum, nur ein paar Zeilen über einen Streit darüber in der Talkshow von Markus Lanz, der zwischen Precht und dem Journalisten Robin Alexander stattgefunden hatte. Aber eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Autoren? Fehlanzeige.
Es gibt nur eine Wahrheit!: Nils Minkmar ist der Gute
Der Redakteur von Übermedien, Nils Minkmar, ist etwas sachlicher als die erwähnten drei Damen, vielleicht hat er das Buch sogar gelesen, und er versucht, Welzers und Prechts Kritik als einfach nur nicht treffend darzustellen. Er beleidigt oder diffamiert nicht, und das muss man ihm schon hoch anrechnen. Trotzdem möchte ich hier noch ein paar Zeilen über seinen Artikel schreiben, weil er damit die Thesen Prechts und Welzers so schön bestätigt.
Nils Minkmar stellt eine Gegenthese auf – soweit so gut. Kann er ja machen. Ich als von den Medien enttäuschter Mensch finde ihn sehr unüberzeugend. Herr Minkmar macht es sich leicht, wenn er denkt, er als Journalist, dem man als Leser nicht vertraut, kann einfach sagen: „Wir machen das aber so und so, das ist richtig gut, und deshalb sind wir sehr vertrauenswürdig.“
Und als Leser sagt man dann: „Ach, wenn das SO ist, dann finde ich die Leitmedien jetzt wieder klasse.“
Am Ende macht er seine Gegendarstellung ziemlich wertlos, indem er behauptet, es handle sich beim Überfall Russlands auf die Ukraine um einen „Moment im Licht gleißender moralischer Klarheit“, es gäbe also nur eine richtige Position.
Quod erat demonstrandum: Die Journalisten verhalten sich so, wie Welzer und Precht sie beschrieben haben
Und damit bestätigt der Journalist, so wie all die anderen, von mir erwähnten Beispiele, genau das, was Precht und Welzer in „Die vierte Gewalt“ kritisieren.
Der deutsche Leitmedienjournalismus lässt keine anderen Perspektiven zu als die, die er für die richtigen hält. Er polarisiert und vereinfacht und denkt in starren Kategorien (wer nicht die Ukraine unterstützt, stellt sich laut Nils Minkmar auf die Seite der Russen). Der Journalismus erklärt Menschen des öffentlichen Lebens zu Personen non Grata und gibt sie zum Abschuss frei, und dann gibt es keine Grenzen des guten Geschmacks mehr (vgl. Sarah Bosetti, für die die Autoren „stupid people“ sind oder die vielen Beleidigungen aus Carolin Kebekus’ Song). Alle geben ihren (diffamierenden bis demütigenden) Senf dazu geben.
Die Autoren schreiben es selbst in der Einleitung ihres Buchs schon, weil die Leitmedienredakteure schon nach der Vorankündigung des Buchs Schaum vor dem Mund hatten, und ich kann das nach ausgiebiger Beschäftigung mit den Reaktionen auf das Buch auch nur bestätigen: Die Medienreaktion auf Prechts und Welzers Buch ist ein grandioses „Quod erat demonstrandum“. Genau so, wie es Welzer und Precht ihnen unterstellen, verhalten sich die Journalisten auch, während sie sich lautstark gegen die Kritik an ihnen wehren. Schon irgendwie lustig, wenn die Presse nicht eigentlich so verdammt wichtig und es gesellschaftlichen nicht so fatal wäre, dass sie auf ganzer Linie versagt…
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