Seitdem die Auslieferung Julian Assanges im Januar 2021 gerichtlich abgelehnt worden, er aber dennoch nicht freigelassen worden ist, hat sich viel getan. Ein kleines, wirklich winziges Bisschen Hoffnung hatte ich, als Trump durch Biden im Weißen Haus abgelöst worden ist. Inzwischen weiß man, dass die Hoffnung eher auf Trump hätte liegen müssen.
Kurz bevor der Ex-Präsident gehen musste, gab es eine größere Kampagne, in welcher der scheidende Präsident intensiv dazu aufgefordert worden ist, Julian Assange zu begnadigen. Neben Julians Familie baten auch seine gute Freundin Pamela Anderson sowie Edward Snowden Trump, Assange zu begnadigen und seine Haft damit zu beenden. Sogar Tucker Carlson von Fox News hat öffentlich an seinem Lieblingspräsidenten appelliert (da dachte ich erst, das Video sei ein Fake). Doch vergebens.
Inzwischen gibt es Grund zur Annahme, Trump hätte Julian Assange beinahe begnadigt. Er soll auf seiner Liste gestanden, dann aber schließlich doch gestrichen worden sein. Warum? Weil Trump wieder als Präsidentschaftskandidat antreten will und ihm von mächtigen Personen, die bisweilen als „Deep State“ bezeichnet werden, gedroht worden sein soll, ihm im zweiten Amtsenthebungsverfahren die Unterstützung zu verweigern, sollte er Assange begnadigen. Und das hätte bedeutet, dass Trump nie wieder die Gelegenheit hätte, sich zum Präsidenten wählen zu lassen.
Glenn Greenwald ist ein Journalist, dem ich alles in allem sehr vertraue und er hat sich mit diesem Thema in einem Video sehr detailliert auseinandergesetzt. Zudem hat auch Nils Melzer sich dazu geäußert (gegen Ende des schriftlichen Interviews).
Sigurdur Ingi Thordarsons Geständnis und die Mordpläne der CIA hätten in allen Nachrichten kommen müssen – aber sie waren nur kleine Randnotizen
Im Sommer 2021 gab es in der Isländischen Zeitung Stundin eine Story, die so wichtig ist, und doch medial ansonsten total untergegangen ist. Darin gab ein Kronzeuge der US-Anklage gegen Julian Assange zu, dass er sich seine belastenden Aussagen nur ausgedacht hatte. Das Polarkreisportal hat den Inhalt des Zeitungsartikels auf Deutsch zusammengefasst.
Dann kam auch noch durch eine investigative Recherche der Nachrichten Webseite Yahoo News heraus, dass es bei der CIA Mordplänen gegen Julian Assange gegeben hatte, welche nur aufgegeben worden sind, weil man sich überlegt hatte, eine juristische Zermürbung Julians sei letztendlich der sinnvollere Weg. Es gibt bislang keinerlei Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Artikels. Und die Tatsache, dass Mike Pompeo gefordert hatte, die Leute zu bestrafen, die hier den Journalisten Informationen über die internen CIA-Pläne gegeben hatten, weist ja stark darauf hin, dass sie die Wahrheit sagen.
Und dann, während des Berufungsverfahrens im November, erlitt Julian einen Schlaganfall – paradoxerweise während die Anklage dem Gericht mit sonderbaren Ferndiagnosen klarzumachen versuchte, dass Julian gesundheitlich fit genug sei für eine Auslieferung. Was das Gericht dann ja auch schließlich so akzeptierte.
Der Schlaganfall fand einige mediale Beachtung, aber die gelogenen Vorwürfe und die Mordpläne gingen fast komplett unter. Sie wurden ab und zu wie nebensächlich erwähnt. Zu den Mordplänen gab es ein paar Artikel in den Leitmedien, zum Beispiel im Spiegel.
Diese Fakten waren brisant. Sie machten den Fall noch absurder, entzogen ihm die letzte Legitimation. Nachdem diese Dinge ans Licht gekommen waren, hätte die Anklage auf der Stelle abgewiesen und Julian freigelassen werden müssen. Die Medien hätten das überall an die große Glocke hängen müssen, damit jeder Bescheid weiß. Beides habe ich – naiverweise? – tatsächlich und ernsthaft erwartet.
Stattdessen schrieben sie über Julians 50. Geburtstag hinter Gittern und seine Pläne, seine Verlobte Stella im Gefängnis zu heiraten. Und auch im Berufungsverfahren fanden diese neuen Erkenntnisse keinerlei Beachtung. Man glaubte dem Land, dessen Geheimdienst Julian Assange ermorden wollte, als es versicherte, ihn gut zu behandeln und ihn nicht in unter „spezielle Verwaltungsmaßnahmen“ zu stellen (so nennen es die Amerikaner, wenn sie Menschen komplett von der Außenwelt abschneiden und sie dauerhaft in strengster Isolationshaft halten) – zumindest solange er, wie die Anwälte sagten, nichts tut, was Anlass dazu geben könnte, doch besagte „Maßnahmen“ anzuwenden.
Keine Hoffnung mehr für Julian
In diesen Monaten verlor ich meine Hoffnung im Fall Assange. Ich hatte das Gefühl, egal, was jetzt noch kommt. Es gibt ein paar Leute in den USA, die Assange dort lebendig begraben wollen und es gibt ein paar Leute in Großbritannien, die alles daransetzen, diesen Wunsch zu erfüllen. Und egal, welche Wendungen es da noch geben wird: Assange war für mich verloren, die mächtigen Typen waren einfach zu mächtig und die Journalisten zu abhängig, faul oder ängstlich. Was weiß ich. Aber anscheinend gibt es ein paar Leute auf der Welt, die einfach alles kriegen was sie wollen, egal wie falsch es ist.
Im Sommer 2021 hatte ich noch an Politiker in Deutschland, Großbritannien, den USA und Australien geschrieben und dachte mir, wenn viele Leute das machen, wird das schon etwas bewegen. Ich hab sogar noch an Annalena Baerbock und Robert Habeck geschrieben, nachdem sie Teil der Regierung geworden waren. Schließlich hatten sie im Wahlkampf noch für Julian Partei ergriffen und seine Freilassung gefordert. Jetzt hatten sie die Möglichkeit, jetzt mussten sie aufstehen, handeln, ihre amerikanischen Verbündeten gerne freundlich, aber eben auch direkt auf ihr Fehlverhalten hinweisen.
Dann aber stellte sich bei mir eine gewisse Resignation ein. Baerbock und Habeck und auch viele andere, die zuvor Freiheit für Julian gefordert hatten und nun einflussreiche politische Ämter bekleideten (zum Beispiel Cem Özdemir und Karl Lauterbach) waren nun mucksmäuschenstill. Und ich hatte das Gefühl, es sei vollkommen egal was noch passiert oder ans Licht kommt – Julian Assange ist wohl einfach verloren und nach dem, was ihm geschieht, wird doch nie wieder jemand wagen, etwas Vergleichbares wie WikiLeaks ins Leben zu rufen. Wer mächtig genug ist, wird Menschenrechtsverletzungen begehen und einfach den Stempel „geheim“ draufdrücken und gut ist.
Teil 3: Leon Panetta lacht über Menschenrechte
Teil 2: Assange ist ein Folteropfer – Erkenntnisse eines UN-Sonderberichterstatters
Teil 1: Wissen oder Nichtwissen? Wie der Fall Julian Assange mein Leben verschlechtert hat