Der erste sichere Hafen und dessen Übernahme durch das DRM Jagdgeschwader
Ich erinnere mich noch als ob es gestern war. Es war im Jahr 2010, ein guter Freund lud mich, nachdem er seine Umzugs- und Renovierungsarbeiten abgeschlossen hatte, zu sich ein. Wir unterhielten uns, tranken etwas und dann zeigte er mir ein neues Spiel das er hatte. Bislang hatte ich noch keine der neueren Spielekonsolen zu Gesicht bekommen, das letzte was ich kannte war die N64. Doch da stand sie, die Xbox 360. Mir wurde ein Controller in die Hand gedrückt und wir spielten UFC 2009. Einfach so, er musste das Spiel nicht vorher installieren, die Disc wurde eingelegt und sofort ging es los. Er musste es auch nicht irgendwo online aktivieren, laut seinen eigenen Aussagen hatte er seine Xbox kein einziges Mal ans Internet angeschlossen. Doch wie konnte das nur sein? Wie konnte dieser Mann ein modernes Spiel spielen ohne sich dabei online dem übermächtigen und alles überschattenden Phallus des DRM zu unterwerfen?
Ein Sakrileg: Ich verließ den PC
Die Entscheidung fiel mir unglaublich leicht. Die Spiele laufen nur mit 30 FPS? Das ist Scheiße, aber damit kann ich leben. Die Grafik sieht wesentlich schlechter aus als auf dem PC? Was soll’s, daran gewöhnt man sich schon. Es gibt keine Mods? Ach egal, die meisten waren eh nicht so gut. Aber ich verfügte wieder voll über mein erworbenes Produkt. Ich konnte es nutzen wann immer ich wollte. Das Internet ist down weil es halt Deutschland ist? Egal, ich zocke. Die Server zu meinem Spiel sind down weil die Firma pleite ist? Was kümmert’s mich, ich zocke. Das war mein zweiter Frühling, die wiedergefundene Jugend, es war das Paradies für mein Videospieler-Herz.
Das Damoklesschwert der potentiell kurzlebigen Technik hing jedoch stets über mir, denn versagt irgendwann meine Xbox 360, sind alle physischen Spiele wertlos. Die Reparierbarkeit der Konsole hält sich eher in Grenzen, das ist schlecht für uns Endverbraucher, sehr schlecht. Nach Ende dieser Generation erschien es mir daher ratsam, neben der 360S noch das letzte Modell, die 360E zu kaufen um ein Backup zu haben, wenn eines der Systeme den Geist aufgibt. Mit etwas Glück und Lötzinn ließe sich vielleicht sogar aus zwei defekten eine funktionierende Konsole basteln. Dass man nicht irgendeine 2,5“ Festplatte verbauen kann, habe ich leider erst sehr spät herausgefunden. Microsoft ist im Herzen halt immer noch ein kleiner Junge, der zu seinem großen, gierigen Bruder Apple aufsieht und sich in der Kunst des Kundenmelkens übt.
Doch das DRM-Problem war gelöst. Ich hatte drei wunderbare Jahre vor mir, bis dann 2013 die Xbox One erscheinen sollte. Ein seltendämlicher Name für die dritte Generation einer Konsole, aber zumindest konnte Sony auf diese Weise nicht den alten Spielplatztrick „immer einmal mehr wie du“ auspacken. Marketing ist halt nichts für Kleingeister, aber scheinbar auch nichts für Überflieger.
Auf in die nächste Runde!
Was sollte schon schiefgehen, die Xbox 360 war wie ein lang ersehnter Traum für mich. Einfach ein Spiel im Laden kaufen, in das System einlegen und ungestört, unabhängig von anderen zocken. Der vorhandene Kopierschutz behinderte mich als Benutzer in keiner Weise, ich bekam nicht einmal mit, dass dieser überhaupt existierte, schließlich spielte man ohnehin etliche Titel direkt von der Disc. DRM war für mich endlich Geschichte, sollten sich doch die alten PC Spieler weiter mit Starforce herumärgern und nach längst verschollenen Aktivierungsmöglichkeiten für ihre alten Spiele suchen, ich war hier im sicheren Hafen, ach was, im Himmel! Bis zu dem Tag, an dem Don Mattrick meine heile Welt in Trümmer zerschlug. Das DRM Jagdgeschwader tauchte am Himmel auf und drohte wiedermal den legitimen Kunden einzuäschern.
Es war ein Schock, wie schreckliche Bilder von einem Unglück. Doch keine noch so widerwärtige Leiche aus meiner Zeit als Bestatter war so verstörend wie die Worte, die Don Mattrick sprach. „Always Online“. Wie ein todbringendes Mantra schwebte es in meinem Kopf. „Always Online“. Okay, er hat noch wirklich viel über „TV“ und „Sports“ geredet aber wirklich geschockt hat mich der Onlinezwang. Mein sicherer Hafen war zerbombt, vom Feind überrannt und schien verloren.
Die Richtung war klar – es war nicht meine
Nach aufbegehren der noch vorhandenen kampfbereiten Kundschaft pfiff Don die DRM Attentäter wieder zurück und versicherte uns, alle DRM Maßnahmen würden per Update deaktiviert werden. Microsoft behält sich lediglich vor, diese Maßnahmen bei Bedarf wieder zu aktivieren, außerdem sei eine einmalige Onlineaktivierung der Konsole nötig, um diese zu nutzen. Nein danke! Was geschieht, wenn die Festplatte sich verabschiedet, ich eine neue benötige und dann mangels Server die Konsole nicht mehr aktivieren kann? Neben einer scharfen DRM-Bombe leben, deren Zeitzünder lediglich nicht einsehbar ist?
Der PC war weiterhin zutiefst und bis in die letzte Ritze seiner Existenz mit DRM verseucht, dorthin konnte ich nicht, Nintendo bot nichts von dem was mich interessierte, Microsoft bildete nun eine kampfstarke Legion des DRM-Imperiums, war eine Flucht überhaupt noch möglich? Sony, ja Sony gab es noch! Was sagten die zu ihrer PS4? Spiele kann man auf Blu-Ray einfach ausleihen, kein Onlinezwang? Ich bekomme Software auf physischen Datenträgern, muss nicht online sein und kann auch offline im Jahre 2069 am Arsch der Welt meine Spiele spielen? Verunsichert durch Mattricks perfiden Verrat, die katastrophalen Bilder vom Planeten PC noch im Kopf, machte ich mich mit zurückhaltendem Optimismus auf in meine neue, japanische Videospielheimat.
Alle Artikel zu „Die Flucht vor DRM“
- Kapitel 1 – Der Garten Eden des Gamings
- Kapitel 2 – DRM führt einen Vernichtungsschlag gegen den PC
- Kapitel 3 – Der erste sichere Hafen und dessen Übernahme durch das DRM Jagdgeschwader